Greenway 2015 – Starttag
Abreisetage sind immer hektisch, auch wenn wir schon am Vortag alles gepackt hatten. Noch schnell den Rasen gießen, die Biotonne rausstellen, ein letzter Blick in den Garten – schließlich kann man kein unaufgeräumtes Haus zurücklassen.
Pünktlich um 6:30 Uhr starten wir – zumindest für 200 Meter. Dann drehe ich noch einmal um, um die gekippten Fenster zu schließen. Danach geht es endgültig Richtung Bahnhof Bruck/L, wo ich mir noch ein Reiseweckerl hole. Nur kleine Diskussionen um Tickets und den richtigen Bahnsteig, sonst läuft alles rund.
Die Fahrt nach Wien Hauptbahnhof verläuft problemlos, sogar ein Kaffee beim Anker geht sich noch aus. Kurz vor der Abfahrt laden wir den richtigen Track auf Edis Handy. Dann sitzen wir im Railjet, die Räder sind perfekt verstaut – inzwischen sind wir echte Profis.
Mit etwas Verspätung erreichen wir Prag. Erstes Ziel: tschechische Kronen besorgen. Leider schlecht vorbereitet, kein Wechselkurs bekannt, und zu allem Überfluss noch ein schlechter Tausch.
Ich und Hans machen uns mit den Rädern auf zur U-Bahn – gewöhnungsbedürftig, denn die Aufzüge sind so klein, dass kaum ein halbes Rad hineinpasst. Ein freundlicher Passant hilft beim Ticketkauf. Trotz vieler Reisender erreichen wir problemlos die Station Hůrka.
Oben angekommen bringen wir die Technik zum Laufen, suchen die Greenway-Starttafel und finden sie auch – verschmiert, aber fototauglich. Fotosession inklusive, bevor wir gemütlich in die erste Etappe starten.

Der Weg führt durch Parks, viele Spaziergänger und Erholungssuchende sind unterwegs. Am ersten Treffpunkt warte ich auf den Rest der Gruppe, trinke mein Latella und esse meinen Kornspitz. Kurz darauf treffen auch die anderen ein – alles klappt bestens.
Der letzte Abschnitt zum Golfhotel St. Havel gelingt ohne größere Probleme, nur ein kleiner Navigationsfehler sorgt für Abwechslung.
Fazit des Tages: Eine gelungene Anreise voller neuer Eindrücke – unter anderem meine erste U-Bahn-Fahrt mit dem Rad in Prag.
Greenway 2025 – Tag 2
Nach dem gestrigen Gourmet-Abendessen im historischen Golfhotel St. Havel begann der Tag perfekt – ein Frühstück, das keine Wünsche offenließ: erst deftig, dann süß, zum Abschluss sogar ein Glas Sekt.
Um 9:00 Uhr starteten wir. Der Weg führte verwinkelt durch die Prager Vorstadt, immer wieder kleine Steigungen, die einiges an Technik verlangten. Nach rund 13 Kilometern gönnten wir uns die erste Rast in einer charmanten „Café Creperie Bar“. Ich bestellte ein Pilsner – die anderen hielten sich alkoholfrei.
Die Strecke blieb hügelig, oft auf Nebenstraßen mit wenig Verkehr. Zehn Kilometer vor dem geplanten Mittagstopp erlitt Hans einen Platten. Ursache unklar, doch dank Ersatzschlauch und Routine war das Problem schnell behoben.

Mittagessen gab es in Tynec – Selbstbedienung, Bezahlung nur in Kronen. Gelegenheit also, Bargeld aufzufüllen. Danach sollte es eine entspannte Fahrt bis Stranny werden. Doch plötzlich überraschte uns Regen. Unterstand? Fehlanzeige. Also mitten in einer Kurve die Regenjacke überziehen – nicht optimal, aber notwendig.
Zum Glück hörte der Regen bald auf. Nach kurzer Umzieh-Prozedur und letzten Anstiegen erreichten wir die Unterkunft trocken und zufrieden.
Greenway 2025 – Tag 3
Das Gasthaus Stranny erwies sich als echter Geheimtipp. Ein Abendessen mit Extra-Nachschlag, Dessert, Schnaps und Prosecco – alles liebevoll zubereitet. Geführt wird das Haus von einem deutsch sprechenden Dänen, der offenbar viele Greenway-Radler kennt, denn Unterkünfte sind entlang der Strecke rar.
Der Morgen begann mit einem Geburtstagsständchen für Hilde und einem Gruppenfoto. Danach ging es – verspätet – los. Hundert Meter schoben wir die Räder bis zum Startpunkt, dann rollten wir einige Kilometer bergab.
Doch bald wehte ein starker Gegenwind, der uns den Tag schwer machte. Bereits nach 13 Kilometern hatten wir die Hälfte der Höhenmeter hinter uns. Wir fanden ein nettes Café, freundliche Bedienung inklusive.
Das Wetter blieb wechselhaft, die Sonne ließ sich kaum blicken. Landschaftlich jedoch ein Traum – Wälder, Hügel, stille Wege. Mittagessen im „Restaurace Pivovar“, erneut mit Sprachbarrieren, doch beim Bier konnte man nichts falsch machen: 5 %, 10 % oder 15 % Alkoholgehalt standen zur Wahl.
Die letzten Kilometer forderten uns mit Nieselregen und ständigem Umziehen der Kleidung. Kurz vor Thir wartete ein besonderes Erlebnis: die Einfahrt in die Altstadt, Räder durch Menschenmengen schieben, Kopfsteinpflaster unter den Schuhen – ein stimmungsvoller Abschluss des Tages.
Greenway 2025 – Tag 4
Nach den anstrengenden Vortagen sollte dieser Tag etwas kürzer werden – „nur“ 54 Kilometer. Doch auf dem Greenway bedeutet das nicht automatisch Erholung. Die Strecke gleicht einer Serie von „Bergen“: hoch, runter, hoch, runter – und das mehrfach.
Unsere Unterkunft lag mitten in der Innenstadt. Vor dem Start besichtigten wir noch einen historischen Keller aus dem 15. Jahrhundert. Danach, um 9:15 Uhr, ging es los – und gleich eine steile Steigung hinauf. Morgensport vom Feinsten.
Nach ein paar Kilometern erreichten wir den ersten Wegpunkt, einen Aussichtsturm. 138 Stufen, doch ich verzichtete, während der Rest der Gruppe nach oben stieg. Weiter ging es über sanfte Hügel, immer mit Blick auf die morgige Königsetappe, die noch schwerer werden würde. Daher trat ich besonders kraftschonend – die E-Bike-Raser ließ ich lieber ziehen.

Mittagspause machten wir in Tucapy, in einer einfachen Wirtschaft neben einer Tankstelle. Danach führte uns der Weg zum Schloss Cervena Lhota, einem echten Hingucker: ein Wasserschloss wie aus dem Bilderbuch, das zahlreiche Besucher anzog. Hier gönnten wir uns gleich ein Bier, denn die Karte versprach für die nächsten 20 Kilometer kaum Einkehrmöglichkeiten.
Die letzten Kilometer führten durch eine traumhafte Landschaft, die Steigungen fügten sich perfekt ins Bild. Normale Tourenräder hatten hier ihre Mühe – E-Unterstützung ist für Ungeübte fast ein Muss. Schließlich erreichten wir Hradek, wo wir in einer urigen Konditorei einkehrten. Ich bestellte einen Gin Fizz und genoss den Moment.
Greenway 2025 – Tag 5
Schlechte Nachrichten erreichten uns am Morgen: Ein Radkollege hatte zu Hause einen schweren Unfall und musste per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Schock, der uns alle nachdenklich stimmte – und eine Mahnung, vorsichtig zu sein.
Heute wartete die Königsetappe – die längste Strecke und der höchste Punkt der Tour. Wir starteten neben einer Baustelle und mussten die ersten Meter schieben. Ein kleines Missgeschick wegen zweier vergessener Helme sorgte für ein Schmunzeln, dann ging es richtig los.
Die Strecke durch den Wald war ein Genuss – meist guter Asphalt, gesäumt von Denkmälern, die an den Eisernen Vorhang erinnerten. Die gefürchteten Höhenmeter bemerkten wir kaum; plötzlich tauchte die Straße zum Scheitelpunkt auf. Bergab ging es rasant wie auf einer Rennstrecke, doch immer wieder unterbrochen von kurzen, steilen Anstiegen.
In Slavonice, einer charmanten Kleinstadt, machten wir Mittagspause am Hauptplatz. Danach lagen noch rund 35 Kilometer vor uns. Kurz nach dem Aufbruch setzte Regen ein, erst leicht, dann stärker. Die Gruppe zerstreute sich – jeder suchte sein eigenes Tempo und seinen eigenen Weg durch das Wetter. Schließlich fanden wir unter einem Holzpavillon wieder zusammen, zogen die volle Regenmontur an und nahmen die letzten 14 Kilometer in Angriff.
Strömender Regen begleitete uns bis zur Unterkunft, wo uns ein chaotisches Einchecken erwartete – doch letztlich war jeder froh, endlich im Trockenen zu sein.
Greenway 2025 – Tag 6
Dank freundlicher Wirtsleute erhielten wir in unserer Unterkunft noch ein improvisiertes Frühstück – in Gegenden wie dieser ist das keine Selbstverständlichkeit.
Das Wetter zeigte sich endlich etwas freundlicher, und so machten wir uns auf den Weg nach Jaroslavice. Die Strecke war flacher als an den Vortagen, nur vereinzelt kurze, steile Anstiege.
Nach 10 Kilometern legten wir die ersten Fotostopps ein. Besonders beeindruckend: der Blick auf das Schloss Frain an der Thaya – auch wenn sich niemand zu einer Besichtigung aufraffen konnte.
Doch dann wurde es ernst: Nach einem Staudamm mit kleinem Bummelzug kam die härteste Steigung der gesamten Tour – geschätzte 18 % Steigung. Im ersten Gang, im Wiegetritt, kämpften wir uns Meter für Meter nach oben, auf der nassen Fahrbahn immer mit dem Risiko eines durchdrehenden Hinterrads.
Die erste richtige Labstelle erreichten wir bei einer Windmühle – dort wärmte uns eine kräftige Zwiebelsuppe. Kaum zu glauben, was danach folgte: Waldpassagen, matschige Abschnitte, glitschige Abfahrten. Fahrtechnik und volle Konzentration waren gefragt – die absolute Grenze des Machbaren.
Mittagspause machten wir in Satov, in einer urigen Gaststätte, in der die Bestellung nicht ganz einfach war. Gourmetküche gab es zwar nicht, aber dafür eine authentische Atmosphäre.

Später führte uns der Weg über einen Weinberg, wo wir uns eine Flasche Wein gönnten. Besonders nett: Ein Einheimischer erkannte mein „Carnuntum Radler“-Trikot – er war ein ehemaliger Prellenkirchner und sorgte für Gesprächsstoff, über den zu Hause noch berichtet werden wird.
Zum Abschluss gab es noch einen kurzen Sprint zur Unterkunft – denn ein bisschen sportlicher Ehrgeiz gehört dazu. Ein unglaublicher Tag, der schwer in Worte zu fassen ist.
Greenway 2025 – Tag 7
Unsere Unterkunft bot ein außergewöhnliches Zimmer – das Bett war nur über 15 Stufen und durch eine kleine Öffnung zu erreichen. Nicht gerade komfortabel, aber charmant. Das Schnitzel zum Abendessen entschädigte für vieles.
Am Morgen war klar: Der angekündigte Regen war da. Das Wetter drückte auf die Stimmung, erste Diskussionen entbrannten. Bahnfahren? Abkürzen? Pausieren? Ich hielt mich bedeckt, meine innere Überzeugung: Nicht abbrechen, solange es noch möglich ist.
Zuerst schüttete es jedoch, sodass wir nicht starten konnten. Nach langem Warten entdeckte ich ein kurzes Regenloch, packte schnell meine Sachen und verkündete meinen Aufbruch. Vielleicht kam das nicht bei allen gut an, aber es war meine Entscheidung – meine Philosophie von Radreisen. Ich verabschiedete mich von der Gruppe. Ein merkwürdiges Gefühl – nach so vielen Kilometern zusammen plötzlich allein weiterzumachen. Doch manchmal entscheidet das Wetter, oder sogar eine Wetter-APP.
Gemeinsam mit Irmgard ging es weiter, bei leichtem Nieselregen bis nach Novy Prerov, unserem geplanten Mittagsstopp. Danach wurde das Wetter besser, und wir rollten gemütlich bis Sedlec.
Doch kurz vor dem Ziel der Schock: ein Speichenriss an meinem Rad – Weiterfahrt unmöglich. Ein hilfsbereiter Hotelmitarbeiter bestätigte: Da lässt sich nichts mehr machen.
Greenway 2025 – Tag 8
Wir sind nur noch zu zweit unterwegs – der Rest der Truppe hat sich vom Regen abschrecken lassen. Trotzdem wollen wir uns am Abend im Weingut Küssler in Grub treffen. So der Plan.
Mein Rad ist defekt, und vier Hotelzimmer sind bereits bezahlt. In der Not wird kurzentschlossen der Cady aktiviert, und meine Familie startet eine echte „Nacht-und-Nebel-Aktion“, um mir mein Canyon-Rennrad vorbeizubringen. Hurra – ich habe jetzt meinen Renner und bin plötzlich Gepäck-frei!.

Am Morgen ist es trocken, aber windig, und die Wolken hängen tief. Um 9:00 Uhr starten wir, zunächst auf einem sehr schlechten Weg bis nach Schrattenberg, wo wir die Grenze nach Österreich überqueren. Glücklicherweise haben wir leichten Rückenwind. Die Wege in Österreich sind besser, wenn auch einige Feldwege dabei.
In Altlichtenwarth machen wir Pause in einem urigen Café. Die Männergesellschaft dort wundert sich über uns zwei Radler. Einer fragt neugierig, woher wir kommen. „Aus Prag“, lautet die Antwort. Aha – da wird dann natürlich noch ein bisschen länger geplaudert.
Um 12:00 Uhr erreichen wir Hohenau an der March. Ein guter Tipp: Immer die erste Einkehrmöglichkeit wählen, die zweite – viel bessere – hatte leider geschlossen. Glücklicherweise finden wir noch ein kleines Café in Dürnkrut, auch wenn das „Ham and Eggs“ eher eine Enttäuschung ist.
Von dort sind es nur noch etwa 10 km nach Grub an der March, unserem letzten geplanten Domizil. Weinverkostung inklusive. Doch wieder kommt alles anders: Aufgrund eines Buchungsfehlers gibt es zunächst kein Zimmer für uns. Zum Glück sind wir nur noch zu zweit und bekommen schließlich wenigstens ein Zimmer. Irmgard sagt telefonisch alles andere ab und tröstet sich mit einer Flasche Küssante.
Auf dem Greenway liegen inzwischen 440 km hinter mir. Ich hoffe, die letzten Kilometer morgen auch noch gut zu schaffen.
Greenway 2025 – Tag 9
Start mit Morgensport
Unsere Unterkunft diesmal? Eine gehobene Location – nach den letzten beiden Nächten genießen wir das umso mehr. Viele Radler sind hier, die meisten nur auf der Durchreise.
Der Tag startet windig, aber die gute Nachricht: Rückenwind aus Nordwest. Wir brechen etwas später auf, doch gleich zu Beginn wartet eine Überraschung – in Grub müssen wir noch einen Kellerberg erklimmen. Morgensport vom Feinsten. Danach geht es entspannt weiter – ein reines „Nach-Hause-Rollern“.
Nach 25 Kilometern erreichen wir die Schloss-Taverne Marchegg. Die letzte dicke Wolke verabschiedet sich, und zeitweise blinzelt sogar die Sonne hervor.
Pizza, Sonne und müde Beine
Der Weg führt uns weiter. Ich fahre hinter Irmgard, immer im Rhythmus: fünf Tritte – zwanzig Meter rollen. Nach 40 Kilometern kommen wir in Engelhartstetten an, wo wir bei Pizzeria Marko einkehren. Eine ordentliche Pizza muss jetzt sein.
Die letzten Kilometer verlaufen unter klarem Himmel, über die Donaubrücke nach Petronell. Die Beine sind müde, aber die Strecke ist angenehm zu fahren.
Greenway Conclusio

Der Greenway „Prag–Wien“ ist ein ultimativer Radweg, der alles in den Schatten stellt – eine mega-anstrengende Tour, für die mir fast die Worte fehlen.
Herausforderung pur
Radtechnisch ist alles dabei: zähe Hügel, unglaubliche Waldstücke, steile Anstiege, Steine und Gatsch. Mensch und Material kommen an ihre absoluten Grenzen. Emotional ebenso – die Frage des Aufgebens stellt sich nicht nur einmal am Tag, sondern jede Minute.
Kultur, Menschen und kleine Wunder
Trotz der Strapazen gab es unterwegs jede Menge Kultur, Tradition und freundliche Gastgeber – egal, ob die Unterkunft edel oder einfach war.
Mein 70er-Geschenk
Diese Tour war mein Geschenk zum 70er – und es stand nie zur Debatte, sie abzubrechen.
Ein riesiges Dankeschön geht an meine Familie, die mir mein Rad nachlieferte, an Irmgard für die Organisation und an die ganze Gruppe. Und zuletzt an meinen Körper – die Tour ohne Motorunterstützung zu treten ist mit über 70 nicht nur fast unmöglich, sondern eigentlich grob fahrlässig.




